Wir wohnen diesmal nicht bei unserem Gastgeber, sondern im Hotel. Trotzdem treffen wir Saber jeden Tag.
Er setzt alle Hebel für uns in Bewegung und verbringt sogar einen ganzen Vormittag damit, unser Visum zu verlängern. Die 30 Tage, die wir vorab von der iranischen Botschaft in München bekommen hatten, sind schon fast um.
Dafür betreten wir morgens um neun die Polizeiwache in Kermanshah. In unseren Händen halten wir stolz jeweils zwei Kopien unseres Passes und des Iranvisums inklusive Einreisestempel und halten uns für extrem gut vorbereitet.
Wir sind etwas aufgeregt und haben gelesen, dass Handys und Fotokameras inspiziert werden. Wir haben mehrere illegale Apps installiert und viele Bilder mit iranischen Freundinnen ohne Kopftuch gespeichert. Vorsichtshalber „vergessen“ wir unsere Handys im Hotel. Tatsächlich werden am Eingang die Telefone verlangt. Anscheinend aber nur, weil Fotografieren und Aufzeichnen von Gesprächen verboten sind. Dann werden wir ins erste Büro geschickt. Saber erläutert unser Anliegen. Der gelangweilt dreinschauende Beamte blickt vom Handydisplay auf und schickt uns ins Büro Nummer zwei. Er ist leider nicht zuständig. Oder Gott sei Dank, denn er hat sicher noch nicht alle neuen Bilder auf Instagram gecheckt. Im nächsten Zimmer sagt Saber wieder sein Sprüchlein auf. Er ist auffällig unterwürfig und schmeichelt den Polizisten. Wenn sie keine Lust haben, funktioniert ihr System heute eben nicht. „Try it again tomorrow.“ Zum Glück spielt Saber seine Rolle perfekt. Trotzdem schickt uns der wenig motiviert in seiner Teetasse rührende Beamte in Zimmer Nummer vier. Hier scheint endlich der richtige Mann zu sitzen. Gemächlich lehnt er sich zurück und weißt darauf hin, dass unser Visum noch 4 Tage gültig sei. Sie seien erst bei drei Tagen verpflichtet, den Fall zu bearbeiten. Uns graut vor einem weiteren Tag auf der Polizeiwache. Glücklicherweise fährt Saber nun seinen ganzen Charme auf und erklärt dem Bürokraten, dass wir unser Visum ansonsten in Teheran verlängern müssen. Und dort wären wir – das müsse er einsehen – wirklich verloren. Nach reiflicher Überlegung willigt er ein und händigt uns ein Formular mit dem Stempel eines Angestellten aus, der die Sache bearbeiten soll. Erneut kehren wir damit in Büro Nummer zwei zurück, wo die drei Männer in Uniform nur kurz angesichts drohender Arbeit aufschrecken. Bedauerlicherweise ist aber der auf dem Formular aufgedruckte Sachbearbeiter im Urlaub. Am besten sei es also, nach dessen Rückkehr erneut vorzusprechen. Wieder ist Sabers Verhandlunggeschick gefragt. Schließlich siegt wohl die Neugier, einmal einen deutschen Reisepass genauer unter die Lupe zu nehmen. Alle drei Beamten nehmen sich nun der Sache an. Dabei kommen immer wieder vor allem irakische Einwanderer herein und drücken den Arbeitenden neue Unterlagen in die Hand. Alles geht drunter und drüber und wird gleichzeitig erledigt.
Endlich bekommen wir einen kleinen Zettel, auf dem die Anforderungen stehen, die wir zu erfüllen haben. Unter anderem müssen wir nachweisen, dass wir je 8 € auf ein Konto eingezahlt haben und eine schriftliche Bestätigung unseres Hotels bringen. Also rennen wir los zum nächsten Taxi. Eigentlich schließt die Behörde erst um 14 Uhr. Aber ab 12 Uhr ist es möglich, dass eher gegessen als gearbeitet wird. Also schnell!
Das Taxi bringt uns ins Hotel, wo die Rezeptionistin erst genaue Anweisungen braucht, um was es eigentlich geht. Dann flitzen wir weiter zur Bank. Eine Einzahlung zu tätigen bedeutet zuerst eine Nummer zu ziehen. Nun heißt es warten während die Zeit verrinnt. Als wir an der Reihe sind, händigt uns der Bankmitarbeiter ein Formular aus, das akribisch ausgefüllt werden muss. Allerdings auf Farsi. Saber müht sich sichtlich ab, unsere Adresse, Geburtsorte, die Namen unserer Väter und unsere deutschen Telefonnummern in perische Schriftzeichen zu übertragen. Dann hat Moritz auch noch drei Vornamen! Moritz Ludwig Konstantin. Das sollte man vielleicht bei der Namensgebung seiner Kinder bedenken. Eine halbe Stunde später rennen wir auf die Straße und stoppen das nächste Taxi. Es geht zu einem Copyshop. Denn die Formulare muss man selbst den Polizisten mitbringen, die gemütich Chai schlürfend neben ihrem Drucker sitzen. Erleichtert atmen wir durch! Jetzt haben wir alles! Aber Saber holt uns auf den Boden der Tatsachen zurück. Wir müssen einen orangen Ordner kaufen. Ohne den geht nichts. Darin werden unsere Unterlagen aufbewahrt. Selbstverständlich befindet sich im Warensortiment des Copyshops kein solcher Ordner. Also weiter zum nächsten Geschäft. Jetzt haben wir wirklich alles und drücken den Beamten in Zimmer 4 alle Kopien, 3 Passfotos von jedem und sämtliche Belege in die Hand. Aber nein: Es gibt ein weiteres Formular, dass im Copyshop vervielfältigt werden muss. Saber rennt sofort los und wir sind froh, dass wir kurz verschaufen können. Immer noch stürmen andere Antragsteller herein und die orangen Ordner rutschen wild durcheinander. „Wo sind deine Passfotos?“, will der Officer wissen. „Die habe ich ihnen gegeben.“ Sie sind in dem Chaos unauffindbar. Zum Glück habe ich einen ganzen Bogen von biometrischen Kopftuchbildern und überreiche ihm noch mehr. Zwei davon werden direkt übereinander auf besagten orangen Ordner getackert.
Saber spricht wieder in säuselndem Ton zu den drei Typen, verbeugt sich und sprintet los: „Wir brauchen einen zweiten orangen Ordner!“
Wir sagen derweil brav sämtliche Städte auf, die wir bereist haben.
Die ganze Zeit über können wir die Stimmung der Beamten nicht einschätzen. Sie blicken finster durch die dicke Glasscheibe ihres Tresens und bieten uns im nächsten Moment Tee an. Auch Saber kann die Gesichter nicht lesen.
Endlich sind beide Ordner bereit, um dem Vorgesetzen in Büro zwei übergeben zu werden. Wir tackeln brav hinterher und unterdrücken mit Mühe unsere aufsteigende Wut. Wieder sitzen wir dem Beamten von vor zwei Stunden gegenüber. Wieder muss er lang überlegen und bevor er endlich den Stempel in unseren Pass drückt, blättert auch noch der letzte Polizist, der unseren Pass noch nicht kennt, darin herum. Um 12 Uhr halten wir dann endlich unseren Pass mit der Erlaubnis weitere 30 Tage zu bleiben in den Händen. Sabers demütige Danksagungen den Beamten gegenüber kann ich mich nicht anschließen. In Gedanken verkünde ich stattdessen dem Bürokraten: „Ich möchte sofort Ihren Vorgesetzten sprechen!!!“
Ausflüge mit Saber:
Liebe Daniela,
ich lese stets mit großem Interesse eure Reisereportagen. Sehr beeindruckend wie unterhaltsam und witzig du schreibst, perfekt auch die Bilder. Bin schon ein wenig neidisch!
Ich wünsche dir und deinem Mann noch eine tolle Zeit. Passt auf euch auf!
Stefan Riegel
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Hallo ihr zwei,
ja da braucht man schon viel Geduld, gut, dass ihr Unterstützung hattet. Dafür werdet ihr aber mit ganz tollen Erlebnissen und Eindrücken belohnt. Weiterhin eine spannende Zeit
Claudia
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Danke euch zweien!
Viele Grüße nach Traunstein und in die Schule!
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