Gangtok in Sikkim: Unterwegs in der Gruppe

Als ich um 8:27 Uhr den leeren Frühstücksraum betrete, ist es mir schlagartig klar: mein Fehler. Wir hatten uns mit den anderen um halb neun verabredet. Moritz mag nichts frühstücken und dafür noch eine halbe Stunde länger schlafen. Dass die anderen in nächster Zeit noch nicht kommen werden und ich mich nicht beeilen hätte müssen, ist klar. Also trinke ich erstmal einen Tee und lasse mir die Sonne ins Gesicht scheinen. Um neun tauchen Subesh und Agath auf. Dass die anderen erst um elf kommen, erstaunt mich dann doch und ich merke, dass ich ein bisschen sauer werde. Ich weiß mittlerweile, dass Pünktlichkeit in Indien nicht so wichtig ist. Aber wann soll man dann kommen? Zuerst habe ich das Gefühl, dass die Leute zur verabredeten Zeit anfangen sich auf das Treffen vorzubereiten und zum Beispiel in die Dusche steigen. Das trifft aber auch nicht immer zu. Irgendwann lerne ich dann, dass die Idee die ist, dass Warten gar nichts Schlechtes ist und es deshalb keine Rolle spielt, wann der andere kommt. Subesh, der vollendete Diplomat schickt einfach eine Nachricht mit einem Foto des gedeckten Tisches im Morgenlicht an alle und schreibt: das Frühstück ist köstlich! Agath dagegen schnaubt bereits vor Wut.

Wir sind in Gangtok in Sikkim im Himalayagebiet. Mayuri, die wir bereits aus den Sunderbans kennen, hat den Ausflug organisiert weil sie eigentlich hierher ziehen und von uns besucht werden wollte. Weil sie findet, dass eine Reise immer schöner wird, umso mehr Personen dabei sind, lädt sie außer Subesh, der noch eine andere Couchsurferin, nämlich Agath aus Paris dabei hat noch Trisha, ihre beste Freundin und Spandan, Anand und Debraj ein.

Die zwölfstündige Nachtzugfahrt ist mit der Gruppe wirklich schöner als allein. Es zeigen sich aber schon erste kulturelle Differenzen als Agath auf der obersten Liege sitzend ständig ihre Schuhe auf Gesichtshöhe der anderen Fahrgäste baumeln lässt. Das würde auch in Europa nerven. In Indien sind Schuhe und Füße aber ein wirklich ein sensibles Thema und das ganze Abteil zuckt geschockt zusammen. Agath dagegen schwingt fröhlich weiter ihre Füße und Subesh freundliches: „Vielleicht wäre es dir ohne Schuhe bequemer?“ und „Ich nehme sie dir ab.“ läuft ins Leere. Erst ein „Zieh die Schuhe aus! Das ist unhöflich!“ entschärft die Lage.

Warten werden wir in den drei gemeinsamen Tagen allerdings auch noch öfter. Moritz und ich üben uns in Gelassenheit und fühlen ums am Ende wie Buddha höchstpersönlich. Abends feiern wir und da Debraj von Beruf Choreograph ist (und uns stolz von seiner Arbeit mit Shah Rukh Khan erzählt) kommen wir in den Genuss von irrwitzigen Tanzeinlagen.
Da Agath aber die Idee hatte, den Ausflug zu nutzen um das Rauchen aufzuhören, schaukelt sich die Stimmung zwischen ihr und den anderen immer mehr hoch, bis sie irgendwann den Tränen nahe schreit, die anderen sollen endlich aufhören, Bengali zu sprechen.

Nach drei Tagen fällt uns der Abschied von Subesh und Mayuri besonders schwer. Sie fahren zurück nach Kolkata und wir noch für eine Woche weiter nach Südsikkim. Irgendwie freuen wir uns aber auch wieder auf unsere Zweisamkeit.

 

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